Ledeburs Geschichte der Sparrenburg vor dem Turmbau 1842 - Eine Buchempfehlung
Bernd Szarkowski-Tegtmeier July 12 2014 12:00:00 PM
Was lange währt wird endlich gut! Monatelang war Bielefelds Wahrzeichen, der Turm der Sparrenburg, verhüllt. Selbst zum offiziellen 800jährigen Jubiläum der Stadt, dem NRW-Tag 2014, hielt man ihn aus (baulichen) Sicherheitsgründen bedeckt. Jetzt gerade fallen die Hüllen und daher lohnt es sich, einmal auf ein Schriftstück hinzuweisen, das kurz vor der Erbauung des Turms verfasst wurde.
Meine Buchempfehlung ist deshalb die „Geschichte der vormaligen Burg und Festung Sparenberg“ vom Historiker Leopold von Ledebur. Er widmete dieses Werk seinem Onkel Ludwig von Ledebur zu dessen 50. Dienstjubiläum beim Militär. Ludwig hatte einige Jahre seines Lebens bei Verwandten in Schildesche gelebt.
Das Werk erschien im Jahr 1842, inmitten der Spätromantik kurz bevor der Bau des Turms begann. Die „Burg Sparenberg“ gehörte noch dem Preußischen Staat. In dieser Zeit hatten Burganlagen ihre militärische Bedeutung verloren und waren jetzt „romantische Orte“. Der Turm wurde nach damaligen zeitgemäßen Vorstellungen entworfen und hat daher seine Vorbilder ehr in Märchen, als in Festungsanlagen. Zuvor war der Turm wesentlich flacher und unspektakulär. Die Sparrenburg selbst ist in etwa so alt wie die Stadt Bielefeld. Experten streiten sich seit Jahrzehnten darüber, ob nun die Burg oder die Stadt älter ist. Das lässt sich urkundlich nicht eindeutig ergründen.
Bild: Spekulationen über die Vergangenheit der Sparrenburg
Und da sind wir auch gleich beim Thema. Das lesenswerte an dem Buch ist nämlich der sehr akribische Aufbau, die die intensive Auseinandersetzung Ledeburs mit teils in lateinischer Sprache verfassten Urkunden in einer lesenswerten chronisch gegliederten Geschichte zusammenfasst. Er hat daraus über Jahre ein Bild gezeichnet, an dem sich so manche moderne wissenschaftliche Arbeit ein Beispiel nehmen kann. Der exakte Wortlaut vieler zugrunde liegender Schriftstücke ist im Anhang des Buches zu finden. Darunter z.B. die damals älteste Urkunde, in der Bielefeld Erwähnung fand - und die zu der Zeit zur Verfügung stand. Es ist ein Schriftstück aus dem Jahre 1221, in dem ein Abkommen zwischen Herford und der damals relativ neuen Gemeinde Bielefeld getroffen wurde. Die Bielefelder Bürger mussten damals schwören, dass sie die Bürger Herfords nicht weiter belästigen werden. Es war zuvor zu Feindseligkeiten und auch zu Zerstörungen in beiden Städten gekommen. Das Jahr 1221 galt lange noch als das Geburtsjahr der Stadt und so wurde z.B. das 700jährige Jubiläum erst 1921 gefeiert.
Ledebur beschreibt in seinem Werk auch einige Dinge, die heute durch neue Erkenntnisse anders dargestellt werden. Interessant ist z.B. die damals aufgestellte These, dass die Sparrenburg früher Löwenburg hieß, da diese in den geschichtlichen Erwähnungen bis etwa 80 Jahre vor der Entstehung der Sparrenburg genannt wurde und dann plötzlich verschwand. Man nahm an, dass die Löwenburg einfach umbenannt wurde. Aus dieser Erkenntnis entstand eine Sage, die in viele Geschichtsbücher übernommen wurde. Inzwischen hat man die Löwenburg, eine Wallburg wie z.B. auch die Hünenburg, in Lämershagen ausfindig gemacht.
Interessant ist auch die Darstellung der Zeit, in der die Burg als Gefängnis diente. Dass die Insassen damals 15 Monate lang den verschütteten Brunnen wieder ausgehoben haben, ist weitgehend bekannt. Offensichtlich haben die Häftlinge aber systematisch ihr eigenes Gefängnis restaurieren müssen. Diese teils sehr gefährlichen Arbeiten haben einige Menschenleben gekostet.
Insgesamt bekommt der Leser einen guten Einblick in das Zusammenleben der Burgherren bzw. Drosten und den Bürgern der Stadt Bielefeld. Es war nämlich nicht so, dass die Burg ein Teil der Stadt war und dieser unmittelbar zum Schutz diente. Vielmehr gab es immer wieder Zwietracht zwischen den Bürgern verschiedener Schichten und den „Hohen Herren“ auf der Burg. Die Sparrenburg war nun mal zur Verteidigung und zum Schutz des Osningpasses und als Residenz bestimmt. Nicht mehr und nicht weniger.
Bild: Handschriftliche Notizen sind das Salz in der Suppe bei alten Büchern - hier: Lebensdaten von Mitgliedern der Familie Ledebur
Im hinteren Teil des Buches beschreibt Ledebur den Umschwung der Denkweisen im Romantik-Zeitalter. Die Bürger der Stadt sahen die Festung jetzt als erhaltenswerte Ruine, der die Zeit schwer zu schaffen gemacht hat. Sie war bereits teilweise abgetragen und die Steine für neue, teils wieder militärische Zwecke (z.B. die 55er Kaserne an der Hans-Sachs-Str.) verwendet. Es formten sich Bürgerinitiativen zur Erhaltung der Festung und auch Ledebur trug – wie er schreibt – ein Scherflein dazu bei, in dem er 100 Exemplare des hier vorgestellten Werkes bzw. dessen Erlös als Unterstützung zum Turmbau spendete.
So begann die Restauration der ehrwürdigen Festung, die in der gesamten Zeitspanne bis heute mal mehr mal weniger andauerte und in diesen Tagen ihr scheinbares Ende findet. Und wie das mit Dingen so ist, die lange währen, habe ich ja eingangs schon erwähnt. ;-)
Ach ja, da es natürlich nicht ganz einfach ist, ein solches Buch zu bekommen, hat die Bibliothek der Universität Münster ihr Exemplar digitalisiert. Es steht kostenlos als PDF zur Verfügung.
Bild: Der Wortlaut der damals ältesten bekannten Urkunde aus dem Jahr 1221 in lateinischer Sprache ist Beginn des Anhangs
Bild: Es gab auch im Jahr 1616 noch (oder schon...) "etliche Ursachen" zur Erhaltung der Burg - Eine Urkunde im Anhang
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