Rundgang und Ausflüge in und um Bielefeld im Jahr 1919
Bernd Szarkowski-Tegtmeier September 21 2012 10:00:00 PM
Ein schönes Fundstück ist ein alter Stadtführer, der im Jahre 1919 vom "Öffentlichen Verkehrsbuerau" der Stadt Bielefeld herausgegeben wurde. Dies befand sich damals in der Lützowstr. 18 (der heutigen Karl-Eilers-Straße) [Karte] zusammen mit der Bielefelder Schreibstube (eine Art Ur-Copyshop) in unmittelbarer Nachbarschaft des Volkswacht-Gebäudes (Arndtstraße). In diesem Heft werden Reisende nicht nur über die Geschichte der Stadt informiert, sondern auch auf Sehenswürdigkeiten hingewiesen und zum Einkaufsbummel animiert. Besonders interessant sind der beschriebene Rundgang durch Bielefeld und auch die angepriesenen Ausflüge. Es ist praktisch ein Blick in das Bielefeld des frühen 20. Jahrhunderts, der deutlich macht, dass vieles verschwunden oder vollkommen anders ist aber anderes auch die lange Zeit überdauert hat. Ich habe diese zwei Abschnitte deshalb unverändert digitalisiert und mit Querverweisen etwas aufbereitet. Die enthaltenen Bilder sind nicht Teil der digitalisierten Textpassagen und deshalb auch separat mit Quellenhinweisen versehen. Ich wünsche viel Spaß beim Lesen - und natürlich beim Wandern!Ach ja, damit kein Mißverständnis auftritt: Ich animiere hier zu selbst organisierten Touren, indem ich aus dem Stadtführer zitiere. Dies ist kein kommerzielles Angebot!
Rundgang durch die Stadt und Sehenswürdigkeiten.
Hauptbahnhof, Düppelstrasse, Herforder Strasse, Post- und Reichsbank an letzterer, Jahnplatz, Schillerplatz mit Bismarck-Denkmal, Neues Rathaus mit Theater, Rathaushof, Ratskeller, Glasmalereien im Rathause, Besichtigung der Sitzungssäle unter Führung des Ratsdieners. Hierauf durch die Rathausstrasse zur Niedernstrasse, Altstädter Kirche, berühmtes Altarbild, neben der Kirche schöner Platz mit dem Denkmal des „Leineweber", sodann zur Obernstrasse, Crüwellhaus, schöner alter Giebel. Oberntorwall, Krieger-Denkmal, in unmittelbarer Nähe Gymnasium und Stadtgarten mit Museum [1], Von hier wendet man sich über Koblenzer- und Sparenbergstrasse [2] zur Burg Sparenberg (unterirdische Bauten, Museum, Denkmal des Grossen Kurfürsten, herrlicher Rundblick vom Turm). Abstieg durch die Spiegelstrasse, Kreuzstrasse mit alten schönen Giebeln und altadeligem Hof, Inneres der Neustädter Kirche, mit Grabdenkmälern der Grafen Otto III. und Wilhelm von Ravensberg und deren Gemahlinnen, sowie des Drosten des Sparenbergs, Otto von der Oye [3]. Hierauf wendet man sich über Nebelswall, Werther Strasse und Hochstrasse zum Johannisberg; prachtvoller Fernblick bis zum Hermannsdenkmal, Gesellschaftsräume der Schützengesellschaft, weite gärtnerische Anlagen. An der Dornberger Straße das Bauernhaus des historischen Vereins (Teil des städtischen Museums) besuchen. Im Johannistal idyllisch gelegener Stauweiher, dahinter große Waldspielplätze. Am Ausgang des Johannistals liegt der alte Johannisfriedhof mit Grabdenkmal Hinzpeters, (der Erzieher Kaiser Wilhelms II.). In unmittelbarer Nähe des Johannisfriedhofs der städtische Botanische Garten, eine entzückende Anlage mit romantischem Hintergrund.
Ausserhalb der Stadt sind zur Besichtigung zu empfehlen die naheliegenden Bodelschwingh’schen Anstalten in Bethel mit Kirche und Krankenhäuser in bergigem Waldgelände. Die einzigartige Anlage des Sennefriedhofes bei Brackwede. Teutoburger Wald-Erholungsheim, eine halbe Stunde von der Stadt südöstlich, Hünenburg und Dreikaiserturm, dreiviertel Stunden von der Stadt in nordwestlicher Richtung (Wälle einer Germanenfeste, Fernblick vom Dreikaiserturm [Karte]).
Spaziergänge und Ausflüge.
I. Spaziergänge.
1. Zum Botanischen Garten und Kahlen Berg: durch die Stadt nach dem Johannisfriedhof; auf dem Wege zwischen dem alten und neuen Teil des Friedhofes gelangt man in wenigen Minuten zu dem Botanischen Garten, dicht hinter dem Friedhof gelegen. An dem Bauernhause vorbei auf bequem ansteigendem Weg mit herrlichem Blick (links) auf den Sparenberg und das südliche Bielefeld und Brackwede zum Kahlen Berge. Oben schöner Rundblick und Volkssternwarte. Angenehmer Abstieg nach dem Städt. Meierhof Olderdissen (mit Restauration) zur Dornberger Strasse.
2. Zum Stecklenbrink. Dornberger Strasse - hinter Ummelmann [9] den zweiten Weg rechts - (markiert durch S) - über den Spielplatz im Stadtwald, (schöne Halle, Sonntags mit Erfrischungen) - zum Stecklenbrink (Schutzhütte, schöner Blick auf den ganzen Gebirgszug bis zur Schwedenschanze), - zurück über den Ochsenberg oder (etwas weiter) über Donnerburg (Ausflugslokal) [Karte] oder den Pappelkrug [Karte]. - Werther Straße.
3. Zum Jägerkrug [10]. Dornberger Strasse. - Jägerkrug (Restaurant in der Nähe der Hünenburg). Etwas weiter Restauration „Waldfrieden". Zurück: Dornberger Strasse oder (etwas weiter) Stecklenbrink.
Postkarte vom Restaurant Jägerkrug, versendet im Jahr 1896, im Karo eingefasst ist der Drei-Kaiser-Turm auf der Hünenburg, Lithographie von Heinrich Becher, Bielefeld
4. Zum Sennefriedhof. Mit der Strassenbahn Richtung Brackwede bis Endstation Sennefriedhof. Einzigartige Waldfriedhofanlage mit grossem Mausoleum und Ehrenfriedhöfen für gefallene Krieger. Hinter dem Sennefriedhof Walderhoungsstätte (nur in Sommermonaten in Betrieb). Vom Sennefriedhof zurück mit Strassenbahn oder zunächst einige Minuten auf der Strasse nach Bielefeld. Dann bei Wegetafel rechts ab auf sanft ansteigendem Wege durch Feld und Wald über die Berge über Salem-Sparenbergprommenade zur Stadt oder wie unter Nr. 9 unter kleinere Ausflüge.
II. Kleinere Ausflüge.
5. Zum Bismarckturm [Karte] auf dem Ebberge. Elektrisch bis Endstation Sieker, dann rechts ab die Waldstrasse [4] hinauf - nach einigen Minuten links Erfrischungsgelegenheit im "Waldkrug" [Karte] - bis „Stillen Frieden". (Wegzeit 45 Minuten). Dann rechts gegen den Berg wenden und an Wegekreuzung (Schild links) auf dem mit rotem Kreuz bezeichneten Kammweg weiter bis zum eisernen Bismarckturm (20 Minuten), herrliche Fernsicht. Zurück über den (rotes Kreuz) Kammweg oder bequemer rechts am nördlichen Abhang des Bergrückens mit schönem Blick auf die Sieker Schweiz nach Habichtshöhe, Schöne Aussicht, Brandt's Busch [Karte] hinab zur Stadt und elektrisch zur Stadt oder weiter auf der Promenade bis zur Burg Sparenberg und von da da zur Stadt.
6. Zum „Drei-Kaiser-Turm" bei der Hünenburg . Dornberger Strasse. - 3 Minuten hinter Ummelmann [9] links durch den Wald (Weg durch rote Kreuze markiert) Grosses Restaurant „Zur Hünenburg" (auch Sommerfrische). Drei-Kaiser-Turm. (Bei klarem Wetter Aussicht bis ins Sauerland.) - Zurück über Zweischlingen oder Jägerkrug.
7. Nach Zweischlingen. Fussbach - am Johannisfriedhof vorbei - Haller Weg - Lauxhof - Napoleonsweg [6] Gasthaus Zweischlingen, - Zurück: Entweder Chaussee nach Brackwede [7] oder elektrisch nach Bielefeld oder (eine Stunde länger) - auf dem Steinbruch- oder dem Zickzackwege zur Hünenburg, zu Fuss nach Bielefeld.
8. Nach Spiegelsbergen. Elektrisch nach Dorf Brackwede - Chaussee nach Holte - 20 Minuten hinter Brackwede links zwischen den beiden Pappeln hindurch (Rüters Hof) in das Quertal hinein. Immer rechts von den Feldern und der langen Wiese - durch die Schonungen hinauf, bis nach 25 Minuten rückwärts der Rosenberg auftaucht (herrlicher Ausblick!), gleich darauf links den schmalen Fusspfad an den Tannen hinunter zu „Waterbör's Hof". Geradeaus zwischen den Häusern durch - weiter immer auf der linken Seite des Längstals, zuletzt mit dem Blick auf das rechts malerisch gelegene „Salem" - in zehn Minuten „Zum grünen Walde" (Restaurant), links im Tal; Handweiser! - dann, entweder rechts nach Waldesruh, Habichtshöhe und Brandt's Busch oder (ebenso schön) gerade aus, oben schöner Blick auf die westlichen Gebirgszüge, nach vorn auf die Hünenburg mit Turm - in 20. Minuten durchs Eggetal zur Haltestelle der Elektrischen bei Sewing.
9. Zur Thusnelda-Klippe. Elektrisch bis Dorf Brackwede - durchs Dorf hindurch - gleich hinter dem Friedhof links [8] - zwischen Rosen- und Käseberg nach Salem [Karte] - in 6 Minuten Restaurant „Waldesruh" (auch Sommerfrische). In 5 Minuten zur Thusnelda-Klippe (herrliches Panorama). - Zurück: Ueber Habichtshöhe (Restaurant mit Garten), „Schöne Aussicht" (ebenfalls) - Brandt's Busch - in 5 Minuten hinab zu „Puls" (Haltestelle der Elektrischen) - in 15 Minuten zum Bahnhof (rechts sitzen! Aussicht schöner!)
10. Nach Vierschlingen. Dornberger Strasse - Jägerkrug - nach 10 Minuten links nach „Peter auf'm Berge" (auch Sommerfrische) - weiter auf dem Kamm - nach 10 Minuten beim Handweiser halblinks den gelben Kreuzen nach bis Gasthaus „Vierschlingen" (Forellen-Teich). Zurück: In 7 Minuten zum Bahnhof Steinhagen - per Bahn nach Bielefeld.
Postkarte vom Restaurant Vierschlingen um 1902 Lizenz: GNU
11. Nach Steinhagen. Wie 10, bis „Peter auf'm Berge". - hier gleich halblinks hinab (rechts der schön liegende Waldfrieden mit sehenswerter Linde) zur Haller Chaussee weiter auf der in diese mündenden Landstrasse nach Steinhagen - Zurück: Zum Bahnhof Steinhagen (25 Minuten) - per Bahn nach Bielefeld.
Werbeanzeigen aus dem Jahr 1919: Restaurant Waldfrieden und das Schützenhaus auf dem Johannisberg, Quelle: "Kleiner Fuehrer durch Bielefeld"
12. Nach Schloss Holte und dem Bielefelder Wasserwerk. Per Bahn nach Station „Schloss Holte" - auf der Verler Chaussee [5] durch den Holter Forst (links Villa Tenge [Karte]) zum Gasthaus „zur Holte" — (gegenüber das Schloss mit schönem Park), — 3 Minuten weiter an der Verler Chaussee die 1000 jährige Eiche. - Zurück: Nach der Station Holte.
Die 1894-96 erbaute Villa Tenge in der Schlossstraße 91 steht seit 1986 unter Denkmalschutz Lizenz: GNU
13. Nach der Schwedenschanze. Wie 10 bis „Peter auf'm Berge", weiter über den Kamm mit unbeschränkter Aussicht nach beiden Seiten bis zur Schwedenschanze (Schutzhütte) - hinunter nach „Vierschlingen". - In 7 Minuten zum Bahnhof Steinhagen. Per Bahn nach Bielefeld.
III. Grössere Ausflüge
(mit teilweiser Benutzung der Bahn bezw. der elektr. Strassenbahn).
14. Nach Oerlinghausen und Tönsberg. Wie 5 bis zum Bismarckturm auf dem Ebberge. Weiter über den Kamm (den roten Kreuzen nach) nach Oerlinghausen (Hotel Kiffe). Gleich hinter dem Garten zum Tönsberge (schöne weitumfassende Aussicht). - Zurück: Entweder durch die Berge zum „Rollkrug", dann Chaussee nach Sieker, elektrisch nach Bielefeld oder Chaussee nach „Scherenkrug" - Ubbedissen - Hillegossen - Sieker - oder per Bahn von Station Oerlinghausen, dicht beim „Scherenkrug", nach Bielefeld.
15. Nach Tatenhausen bei Halle. Per Bahn bis Halle - zu Fuss nach Tatenhausen (Bad mit großem Park, Eigentum des Grafen von Schmising - Gräfisches Schloss - 30 Minuten zum Grabe des es Dichters Friedrich Leopold von Stolberg auf dem Friedhof von Stockkämpen Zurück über Tatenhausen nach Bahnhof Halle. Per Bahn nach Bielefeld.
16. Nach Grünenenwalde bei Halle - Wie 15 bis Halle - Fuss nach Grünenwalde (Gasthaus mit Garten) und zurück.
17. Nach der Ravensburg und Borgholzhausen Per Bahn bis Station Borgholzhausen - gleich hinter dem Bahnhof rechts zur Ravensburg (Restauration beim Förster) - weiter nach Stadt Borgholzhausen - zurück auf der Chaussee zum Bahnhof.
18. Nach Werther bezw. Halle. Hin zu Fuss über die Berge, zunächst wie 13. Von der Schwedenschanze weiter über den Kamm des Gebirges. - Bei der Kreuzung mit der Strasse, die von Werther nach Halle führt, rechts nach Werther, links nach Halle (Nach Werther auch von der Schwedenschanze ab guter Weg in halber Höhe des Gebirges.)
19. Ausflug nach dem Sennelager und Paderborn.
20. Nach Oeynhausen, Porta Westfalica (Kaiserdenkmal) zurück zur Porta und abends per Bahn. Mit der Bahn zurück.
21. Fusstour nach dem Hermanns-Denkmal und Detmold. 6 Stunden oder zur Hilfe per Bahn. Mit der Bahn zurück.
Ende des Zitats aus dem "Kleinen Führer durch Bielefeld", herausgegeben vom Öffentllichen Verkehrsbuerau Bielefeld im Jahr 1919
Ergänzungen und Erlebnisberichte sind herzlich willkommen!
[1] Museum in der Kaselowskly-Villa an dem Ort, wo heute die Kunsthalle steht.
[2] Die Koblenzer Straße ist die heutige die Alfred-Bozi-Str., mit der Sparrenbergstrasse ist "Am Sparrenberg" gemeint
[3] Otto von Oye, Drost des Amtes Sparrenberg (1609 – 1621)
[4] Die Waldstraße ist die heutige die Osningstraße
[5] Die Verler Chaussee ist die heutige Schloßstraße
[6] Damit ist der Laukshof [Karte] am Haller Weg und die heutige Schlingenstraße gemeint
[7] Damit ist die heitige B68 gemeint
[8] In die Straße "Am Rosenberg"
[9] Mit "Ummelmann" ist das Bauernhausmuseum in Bielefeld [Karte] gemeint, das ab 1915 aus dem Hof "Meier zu Ummeln" bestand
[10] Der Jägerkrug befand sich von 1870 bis 1975 an der Dornberger Str. in Uerentrup und wurde von der Familie Oppermann betrieben
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